В последния брой на авторитетното германско юридическо издание Jahrbuch für Ostrecht (JOR, Bd. 51, S. 227-229) e намерила място една интересна рецензия от германския юрист и бивш висш дипломат на ФРГ в България и Македония - д-р Клаус Шрамайер относно сборника Държава и вероизповедания.
Hristo P. Berov: Darzava i veroizpovedanija. Normativna uredba na religijata i religioznite obstnosti v Balgaria (Staat und Glaubensbekenntnisse. Normative Regelung der Religionen und religiösen Gemeinschaften in Bulgarien), Verlag Siela, Sofia 2009, 336 S.
(c) Dr. Klaus Schrameyer, Botschafter a. D.
(c) Jahrbuch für Ostrecht, Verlag C. H. Beck MünchenHristo P. Berov: Darzava i veroizpovedanija. Normativna uredba na religijata i religioznite obstnosti v Balgaria (Staat und Glaubensbekenntnisse. Normative Regelung der Religionen und religiösen Gemeinschaften in Bulgarien), Verlag Siela, Sofia 2009, 336 S.
Der in Berlin lebende bulgarische Jurist Hristo Berov ist bereits mit zahlreichen religionsrechtlichen Arbeiten hervorgetreten, u.a. zuletzt mit einem Aufsatz unter dem Titel „Zum Rechtsstatus der Bulgarischen Orthodoxen Kirche", erschienen in Ost-West Europäische Perspektiven, 4/2009, S. 288 ff.
Jetzt legt er erstmalig eine umfassende Sammlung der staatlichen bulgarischen Vorschriften (Gesetze, untergesetzliche Akte, Entscheidungen des Verfassungsgerichts und internationale Verträge) auf dem Gebiet des Religionsrechts sowie Auszüge aus der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den EU-Gründungsverträgen und weiteren EU-Vorschriften vor. Nicht aufgenommen sind die Statuten der Religionsgemeinschaften sowie die lokalen Vorschriften der Gemeinden (S. 6). Sehr hilfreich sind auch die Anlagen:
- ein Verzeichnis der Abkürzungen (S. XI-XV), leider ohne Angabe der Fundstellen der angeführten Normativakte im Amtsblatt; diese Angaben finden sich dann aber im Text bei den einzelnen Normativakten;
- die drei religionsrechtlichen Verfassungsgerichtsentscheidungen Nr. 5/1992, Nr. 21 1998 und Nr. 12/2003 (S. 276);
- ein terminologischer Index nach Normativakten (S. 328-332) und
- ein Index nach Seiten (S. 333-336).
In der zehnseitigen Einleitung legt der Autor seine Gründe für die Sammlung und die Maßstäbe für die Auswahl der ausgewählten Normativakte dar. Hauptanlass für seine Sammlung sei die Tatsache, dass die Religionsgesetze weitgehend unbekannt seien und dass sich bei einer besseren Kenntnis die Lage der kirchlichen Gemeinschaften und der Gläubigen bessern könnte. Es gebe also neben dem rechtstheoretischen auch ein religionspolitisches, praktisches Interesse an der Sammlung.
Der „Zustand der Religionsfreiheit" sei nicht zufriedenstellend. Die Religionsgemeinschaften könnten in Bulgarien größeren Einfluss haben. Für eine Verbesserung der Lage wäre u.a. eine bessere Kenntnis des vom Staate gebotenen rechtlichen Rahmens nötig, und zwar hinsichtlich der rechtlichen Pflichten, vor allem aber auch der religiösen Rechte.
Es gebe ferner eine Diskrepanz zwischen der „objektiven, vom Staate geschaffenen rechtlichen Realität, und dem guten Willen seitens der religiösen Gemeinschaften für verschiedene Initiativen". Ein Beispiel dafür sei „die Einführung von Religionsunterrichts als verbindliches Fach in den staatlichen Schulen". Meinungsverschiedenheiten (wohl innerhalb der Kirchen) verhinderten Ergebnisse. Es gebe zahlreiche weitere Beispiele außerhalb des Bildungsbereichs, die selten diskutiert würden.
Drittens seien die Grundsätze des Rechtsstaats für die Stabilität der religiösen Gemeinschaften unverzichtbar. Das gelte vor allem für die unvollendete Restitution des enteigneten kirchlichen Eigentums.
Schließlich müsste die kirchenrechtliche Gesetzgebung in vielen Bereichen noch verbessert werden. Entsprechende Initiativen aber setzten ausreichende Kenntnisse des geltenden Rechts voraus. Bedauerlicherweise zeichneten sich jedoch auch viele Fachleute, Normgeber wie Normanwender, durch eine nur oberflächliche Kenntnis der Religionswissenschaften und des Kirchenrechts aus.
Im Ergebnis also kommt der Verfasser zum Schluss, dass religionsrechtliches Wissen „Macht" sei und die Voraussetzung für eine Verbesserung des staatlichen Kirchenrechts und seiner Anwendung erforderlich sind. Notwendig sei sein neues Kompendium auch deshalb geworden, weil es nichts Vergleichbares auf dem Markt gebe. Die vorhandenen seien einerseits nicht so umfangreich, andererseits für den Gebrauch durch die Mitarbeiter der Kirchen oder des staatlichen Kirchenamts ausgewählt und konzentrierten sich vor allem auf die Pflichten der Kirchensubjekte.
Der Autor bemüht sich, die zahlreichen Probleme der Bulgarischen Orthodoxen Kirche sehr vorsichtig, ja in äsopischer Sprache nur anzudeuten, um niemanden zu
verschrecken. So geht er mit keinem Wort auf das schwerwiegendste Problem der orthodoxen Kirche in Bulgarien ein: das der Kirchenspaltung, das vom MRGH in Straßburg immer noch nicht abschließend entschieden ist[1]. Wahrscheinlich hängt dies mit seinem Ekklesiologieverständnis zusammen, wonach die abgespaltenen Religionsgemeinschaften weiterhin Teile einer gemeinsamen Kirche bleiben - vor allem auch deswegen, weil Berov in seinem o.g. OWEP-Aufsatz die Tatsache betont, dass die Kirchenspaltung in Bulgarien kaum durch Kirchendogmen und Kanones verursacht ist, sondern mit der fehlenden politischen Bewältigung der Vergangenheit der letzten 65 Jahre (konkret mit der zweifelhaften Legitimität des Patriarchen Maxim) zusammenhängt.
Das mindert aber nicht den Wert seiner Sammlung. Es ist außerordentlich verdienstvoll, dass der Autor in mühevoller Kleinarbeit aus den weit verstreuten Gesetzen und vor allem auch aus den untergesetzlichen Akten das Mosaik des bulgarischen Staatskirchenrechts zusammengesetzt hat. So wertet er nicht nur die großen Gesetzbücher wie das Sozialversicherungs-, das Arbeits- und das Familiengesetzbuch oder auch das StGB und die StPO aus, sondern auch so abgelegene Materien wie das Veterinärgesetz, das Berggesetz oder das Blutspendegesetz. Es ist verblüffend zu sehen, wo überall die Religion eine Rolle spielt. Allerdings ist einschränkend zu sagen, dass in vielen Gesetzen der einzige religiöse Bezugspunkt die Wiederholung des Diskriminierungsverbots des Art. 6 Abs. 2 Verfassung ist, also das Verbot der Diskriminierung wegen des Glaubensbekenntnisses.
In den Schulgesetzen überwiegt die religionsfeindliche Haltung als Ausfluss der Trennung von Staat und Kirche in Art. 13 Abs. 2 der Verfassung. So besagt z.B. Art. 5 des Gesetzes über die Volksbildung: „Die Bildung ist weltlich".
Es wäre nützlich, wenn Berov in weiteren Arbeiten die Tendenzen der bulgarischen Religionsgesetzgebung im Einzelnen herausarbeiten und ferner darlegen würde, wo Änderungen nötig wären. Immerhin schließt Berov optimistisch mit der Feststellung, dass trotz aller religionsfeindlichen Tendenzen in den vergangenen Jahrzehnten „fühlbare Impulse für ein dauerhaftes öffentliches Interesse, auch des Gesetzgebers, am Glauben, an der Religion und an einer religiösen Lebensführung allgemein zu spüren ist" (S. 9).
Botschafter a.D. Dr. Klaus Schrameyer, Bornheim
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[1] K. Schrameyer, Patriarchen gegen Straßburg, OER 2/2009, S. 219.
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